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Digitalität: Die Grundschulbildung in der digitalen Heimat

Grundschulbildung und Digitalisierung sind Themen, die Pädagogik und Politik nicht erst in jüngster Zeit beschäftigen. Dabei nimmt ein neuer Begriff eine zunehmend prominente Position im Diskurs ein: Digitalität. Was aber genau bedeutet Digitalität? Und welchen Stellenwert hat sie für die Grundschulbildung?

Was ist der Unterschied zwischen Digitalität und Digitalisierung?

Die Begriffe Digitalisierung und Digitalität sind zentral, wenn es darum geht, das Fundament unserer modernen Welt zu gestalten und zu verstehen. Die Digitalisierung beschreibt den dynamischen Prozess, durch den wir die digitale Landschaft aufbauen und gestalten, indem wir analoge Informationen und Prozesse in digitale Formate umwandeln und neue Technologien einführen. Im Gegensatz dazu stellt die Digitalität einen Zustand dar, der entsteht, wenn die digitale und analoge Welt nicht mehr als getrennte Bereiche wahrgenommen werden, sondern zunehmend verschmelzen und sich wechselseitig beeinflussen. Es ist die Qualität unserer Existenz in dieser zunehmend digitalisierten Welt und unserer Interaktion mit und innerhalb der digitalen Sphäre.

Angesichts dieses Verständnisses von Digitalität und Digitalisierung stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, unsere Kinder bereits in der Grundschule mit dieser Verschmelzung zu konfrontieren oder ob das Konzept der Digitalität erst ab einem bestimmten Alter eingeführt werden soll.

In diesem Kontext sind weitere Aspekte von Belang. Ist es berechtigt, dass heutige Generationen schon in der Grundschule den Umgang mit der digitalen Welt erlernen sollten? Ist es angebracht, bereits in diesem frühen Stadium Computer und Tablets in den Unterricht zu integrieren, noch bevor die Grundlagen der Mathematik vollständig verstanden sind? Oder überschreitet der wahre Wert der Digitalität tatsächlich technische Fertigkeiten und stellt die Grundschule den idealen Ort dar, um den Schülern jene essentiellen Kompetenzen zu vermitteln, die in einer stetig digitaler werdenden Welt unabdingbar sein werden?

Welchen Stellenwert hat Digitalität für die Grundschulbildung?

Mit der zunehmenden Priorisierung der Digitalität hat sich viel getan – die Länder haben Kompetenzmodelle und Rahmenvorgaben entwickelt und die Anpassung der Lehrpläne an einen digitalen Alltag ist, wenn noch nicht abgeschlossen, so doch zumindest im Gange. Die Ausstattung von Grundschulen mit digitalen (End-)geräten ist im Rahmen des Digitalpakts fortgeschritten.

Im Gegensatz dazu wirft der konzeptuelle Aspekt der Digitalität in der Grundschule noch zahlreiche Fragen auf. Studien zeigen, dass der didaktische Einsatz digitaler Geräte sowie die Frage nach Lehrinhalten weitgehend ungeklärt bleiben und die Zielsetzungen uneinheitlich sind. Die angestrebte schulische „digitale Grundbildung“ und der Erwerb medialer Grundkompetenzen laufen laut Schmeinck et al. (2023) so in vielen Fällen Gefahr, verfehlt zu werden.
Kinder und Jugendliche wachsen heute ohne eine Erinnerung an eine „vor-Digitalität“ auf – Fähigkeiten wie etwa die Recherche über Suchmaschinen werden ihnen schon früh in der schulischen Laufbahn mit auf den Weg gegeben. Umso wichtiger ist daher das gleichzeitige Erlernen der dazugehörigen Fähigkeiten, um die ausgespielten Ergebnisse verstehen und auch in Hinblick auf „Fake News“ oder kommerzielle Einflüsse kritisch bewerten zu lernen (wie etwa im Umfeld von Influencern). Wie Herzig (2020) betont, sollte und muss die Vermittlung erforderlicher Kompetenzen bereits im Kindesalter erfolgen und daher im Rahmen der Digitalität zu den Aufgaben der Schulbildung zählen.

Welchen Stellenwert hat Digitalität für die Grundschulbildung?

Die moderne Welt wird stark von Medien beeinflusst, was besonders bei Kindern und Jugendlichen spürbar ist. Aus diesem Grund betont die Kultusministerkonferenz seit 2012 die Bedeutung der Medienbildung in der Schule, seit 2021 auch für digitale Medien in der Grundschulbildung. Die Relevanz dieser Empfehlung manifestiert sich in unterschiedlichen Segmenten wie der Gestaltung von Lehrplänen, der Ausbildung von Lehrkräften, technischer Unterstützung und der Kooperation mit außerschulischen Akteuren.
Es ist jedoch von Bedeutung zu erkennen, dass die Signifikanz der Medienbildung den reinen Lernprozess überschreitet.

Im Zeitalter der Digitalität können Kinder von einer zielgerichteten Förderung digitaler Fähigkeiten stark profitieren. In einer omnipräsenten Medienlandschaft ist Medienkompetenz unerlässlich, da sie Urteilsvermögen erfordert, welches in einer medial in einer medial geprägten Welt eine Kernkompetenz.

Es gibt unzählige zusätzliche Begründungen, die die Wichtigkeit der Medienbildung in der schulischen Bildung unterstreichen, und dies bereits ab der Grundschulstufe.  Einerseits ist sie lebensweltbezogen, da die Gesellschaft, in der Kinder aufwachsen, stark medial geprägt sind. Es ist daher die Aufgabe der Schulen, diese Entwicklung aufzugreifen und die Kinder auf den souveränen Umgang mit dieser Welt vorzubereiten. Andererseits ist die schulische Medienbildung produktivitäts- und innovationsbezogen, da der Umgang mit Medien und Digitalität die Produktivität und Innovationsfähigkeit kommender Generationen in Handel, Forschung, Industrie und Kultur fördert. Schließlich ist die Medienbildung auch bildungs- und entwicklungsbezogen und erleichtert die Partizipation an der medial und digital geprägten Gesellschaft, fördert die Identitätsbildung und unterstützt die persönliche Entwicklung. Die Schulbildung sollte daher laut Herzig (2020) junge Menschen auf das Leben in der Digitalität vorbereiten können.

Grundschulbildung Digitalität

Grundschulbildung und die Lernkultur der Digitalität

Die Grundschule stellt den ersten Schritt auf der Pflichtschullaufbahn dar und nimmt so eine Sonderstellung ein: Um Kinder auf ein Leben in der Digitalität vorzubereiten, muss hier der Grundstein durch grundlegende Fertigkeiten gelegt, die Verknüpfung zu digitalen Erlebnissen jenseits des Schulalltags hergestellt und der Weg für eine fortgeschrittene digitale Bildung geebnet werden.

Dabei kann es nicht Aufgabe der Grundschule sein, alle Inhalte und Nutzungsbereiche des digitalisierten Alltags oder der modernen Medienlandschaft abzubilden – vielmehr sollte hier eine solide Grundlage gelegt werden, auf der die mediapädagogische und informatische Bildung in der weiterführenden Schule aufbauen kann.

Eine präzise Ausarbeitung von Kompetenzerwartungen, die den jeweiligen Entwicklungsstand und das Alter der Lernenden berücksichtigen, ist für alle Bildungsstufen von großer Bedeutung. Herzig (2020) betont abei die Heranziehung von Bedürfnis- als auch Entwicklungstheorien als Grundlage.

Es empfiehlt sich, die Unterscheidung zwischen analogen und digitalen Lernformen zu überdenken und gegebenenfalls zu diskutieren, um den kompetenten Einsatz von digitalen Fertigkeiten schon in der Grundschule zu fördern.

Die Kompetenz, Medien als Informationsübermittler, die Information an sich und den Effekt oder Gebrauch einer Information zu unterscheiden, ist nicht von der Nutzung digitaler Geräte oder spezieller Anwendungen im Unterricht abhängig. Ein mündiger und kritischer Umgang mit Informationen gehört im Zeitalter von Digitalität und algorithmischen Datenströmen, auch unabhängig von der Nutzung von Technologie, zu den Grundkompetenzen, die Bildung vermitteln muss.

Dabei kann die bloße Ausstattung mit digitalen Geräten ohne die dazugehörigen Anpassungen der Lehrinhalte, anstatt die Lernkultur zu bereichern, sogar Risiken bergen:

  • Die undifferenzierte Verwendung digitaler Hilfsmittel kann den Unterricht undemokratischer und einseitig gestalten, im ungünstigsten Fall zu automatisiertem Einüben von Inhalten führen.
  • Wenn Geräte ohne Berücksichtigung der „digitalen Kompetenz“ verwendet werden, kann dies dazu führen, dass Kinder vor den Geräten „geparkt“ werden.
  • Wie Peschel et al. (2023) betonen, kann eine übermäßige Konzentration auf die technologischen Aspekte der Digitalisierung zu einer Verengung der Unterrichtsmethoden und einer eindimensionalen Lernkultur führen (Stichwort „Drill-and-Practice“).

Digitale und informationstechnische Kompetenzen im Grundschulalter

Neben den Medienkompetenzen ist es unerlässlich, dass Grundschulkinder auch informationstechnische Fähigkeiten erlernen, um die Digitalität in vollem Umfang erleben zu können. Der Erwerb dieser zusätzlichen Kompetenzen sollte idealerweise schon in der Grundschule beginnen, wobei diese Fähigkeiten auf vielfältige und praxisnahe Weise in den Schulalltag eingebettet werden können.

Das Hauptziel besteht darin, das kritische Denkvermögen im Zusammenhang mit „Digital Literacy“ zu fördern. Schon in jungen Jahren können Kinder Einblicke in informatische Prozesse und Phänomene erhalten. Sie lernen, nicht nur passive Nutzer zu sein, sondern aktive Gestalter der digitalen Welt – sie werden zu „Prosumern“ (Verbraucher, der zugleich Produzent ist) anstelle von „Consumern“. Best (2021) ist der Auffassung, dass eine kontinuierliche Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte dabei von entscheidender Bedeutung ist.

Bei der Vermittlung digitaler und informationstechnischer Kompetenzen stehen grundsätzlich drei Schlüsselaspekte im Vordergrund:

  • Technologische Perspektive: Diese fördert das Verständnis digitaler Systeme und Netzwerke, ihre Funktionsprinzipien, Gestaltungsmöglichkeiten und Lösungsstrategien für Probleme.
  • Gesellschaftlich-kulturelle Perspektive: Diese thematisiert die Interaktionen zwischen Digitalität, Gesellschaft und dem Individuum und trainiert die kritische Bewertung von Informationen.
  • Anwendungsbezogene Perspektive: Diese schult die Auswahl, Nutzung und Handhabung digitaler Systeme, Funktionen und Werkzeuge für effektive Projekte.

Abschließend lässt sich feststellen, dass ein „Interagieren und Explorieren“-Ansatz empfehlenswert ist, um die Alltagserfahrung der Kinder in zielführender Weise einzubinden und sie auf die Herausforderungen der Digitalität vorzubereiten. Gut qualifizierte Lehr- und Fachkräfte sind für dessen Umsetzung unverzichtbar. (Vgl. Bergner et al. 2017)

Literatur:

Bergner, Nadine et al. (2017) „Zieldimensionen für frühe informatische Bildung im Kindergarten und in der Grundschule“. In: Diethelm, Ira (Hrsg.) Informatische Bildung zum Verstehen und Gestalten der digitalen Welt. Lecture Notes in Informatics (LNI), Bonn: Gesellschaft für Informatik, 15-24.

Best, Alexander et al. (2021) Positionspapier: Informatische Bildung in der Grundschule und Zentren für Digitale Bildung. Potsdam: Universität Potsdam.

Dengel, Andreas (2018) „Digitale Bildung: ein interdisziplinäres Verständnis zwischen Medienpädagogik und Informatik“. In: MedienPädagogik 33, 11-29.

Herzig, Bardo (2020): „Medienbildung in der Grundschule – ein konzeptioneller Beitrag zur Auseinandersetzung mit (digitalen) Medien“. In: Zeitschrift für Grundschulforschung 13, 99-116).

Peschel, Markus; Schmeinck, Daniela; Irion, Thomas (2023): „Lernkulturen und Digitalität. Konzeptionalisierungen aus grundschul- und sachunterrichtsdidaktischer Sicht“. In: Irion, Thomas; Peschel, Markus; Schmeinck, Daniela (Hrsg.): Grundschule und Digitalität. Grundlagen, Herausforderungen, Praxisbeispiele. Frankfurt am Main: Grundschulverband, S. 43 – 52.

Schmeinck, Daniela; Irion, Thomas; Peschel, Markus (2023) „Von der Digitalisierung zur Digitalität“. In: Irion, Thomas; Peschel, Markus; Schmeinck, Daniela (Hrsg.): Grundschule und Digitalität. Grundlagen, Herausforderungen, Praxisbeispiele. Frankfurt am Main: Grundschulverband, S. 8-16.

Digitalität in der Grundschulbildung

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