Die Digitalisierung in der Bildung war ein zentrales Thema auf der Learntec 2024, der Leitmesse für digitale Bildung in Europa, die vom 4. bis 6. Juni in Karlsruhe stattfand.
Wir haben die Gelegenheit auf der Messe genutzt und für diesen Artikel führende Bildungsexperten gebeten, die gegenwärtige Situation des Bildungssektors in Deutschland zu bewerten und einen Ausblick darauf zu geben, welche Schritte nun in Angriff genommen werden sollten.
Aktuelle Lage des Bildungsmarktes in Deutschland
Insgesamt sind die von uns befragten Experten der Meinung, dass der deutsche Bildungssektor in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte bei der Digitalisierung gemacht hat. Insbesondere durch die Fördermittel des Digitalpaktes wurden Infrastrukturen und Endgeräte-Ausstattung vorangetrieben, während der COVID-19-Pandemie wurden digitale Lernplattformen, Online-Kurse und virtuelle Klassenzimmer verstärkt genutzt.
Dennoch bestehen weiterhin große Unterschiede in der digitalen Ausstattung zwischen verschiedenen Bildungsinstitutionen und Regionen. Auch in Bezug auf digitale Kompetenzen und die Anwendung digitaler Technologien an den Schulen bestehen erhebliche Unterschiede.
So sind sich die Experten einig, dass der DigitalPakt geholfen hat, es aber noch viel zu tun gibt. Der DigitalPakt 2.0 wird benötigt, um mithilfe weiterer Fördermittel die digitale Infrastruktur und die Ausstattungssituation noch weiter voranzutreiben.
So meint Dr. Christian Büttner, Geschäftsführer des Forschungsinstituts Digitale Bildung und 1. Vorstandsvorsitzender des Bündnisses für Bildung e.V.:
„Die Digitalisierung ist auf jeden Fall besser als ihr Ruf. Grundsätzlich ist ein Reifegrad aber schwierig zu messen, wir müssen uns hierbei die einzelnen Sektoren, wie beispielsweise die Infrastruktur oder die digitale Kompetenzen genauer anschauen. Während die Infrastruktur mittlerweile gut aufgestellt ist, besteht bei den digitalen Kompetenzen noch Nachholbedarf. fehlt es bei den digitalen Kompetenzen noch erheblich."
Tobias Koeppel, verantwortlich für Digital Education im Public Sector beim IT-Unternehmen Cisco und langjähriger Program Manager der Cisco Networking Academy:
„Der Bildungssektor hat erkannt, dass Digitalisierung integraler Bestandteil des Bildungsauftrags werden muss, und befindet sich somit bereits im Transformationsprozess. Dank des DigitalPakts sind erste wichtige Schritte getan. Wir müssen nun nicht mehr darüber reden, ob digitalisiert wird, sondern nur noch wie. Wir haben in vielen Schulen inzwischen gute digitale Standards und arbeiten ständig daran, sie weiter zu verbessern. Dabei müssen wir auf Herausforderungen wie Fachkräftemangel mit smarten Lösungen reagieren, um sicherzustellen, dass die digitalen Bildungsstandard überall gleich gut ist.”
Stefan Zabel, Fachvertrieb Cisco Meraki bei SVA System, einer der führenden IT-Dienstleister Deutschlands ergänzt:
„Die Infrastrukturausstattung hat durch den DigitalPakt einen großen Schritt nach vorne gemacht. Viele Schulen sind nun digital besser ausgestattet und es gibt mittlerweile viele große Schulprojekte und Leuchtturmprojekte, die sehr gut laufen.“
Alexander Schöpke, Geschäftsführer des Bündnisses für Bildung e.V., sieht den Fortschritt positiv:
„Der DigitalPakt hat die technische Ausstattung erheblich verbessert. Die Zusammenarbeit zwischen Schulträgern, Schulleitungen und pädagogischen Teams wird zunehmend besser verstanden und umgesetzt. Wir sind auf einem guten Weg zu einer vollumfassenden Digitalisierung und einem Bildungssystem, das Digitalisierung nicht als Selbstzweck begreift, sondern die Möglichkeiten im Sinne der Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte nutzt.“
Das Bewusstsein für die Bedeutung der Digitalisierung im Bildungswesen ist mittlerweile bei allen Beteiligten angekommen. Nun gilt es, die vorhandenen Ressourcen, insbesondere die IT, effizient und zielgerichtet einzusetzen.
Zukunftsaussichten und Handlungsempfehlungen: Standardisierung, Kooperationen und Content als Erfolgsfaktoren
Die Zukunft des Bildungsmarktes in Deutschland hängt stark von der weiteren Integration und Optimierung des Einsatzes digitaler Technologien ab. Die Experten auf der Learntec 2024 betonten, dass neben der technischen Ausstattung auch die pädagogische Einbindung digitaler Medien und die kontinuierliche Weiterbildung der Lehrkräfte entscheidend sind.
Micha Pallesche, Schulleiter der Ernst-Reuter-Schule in Karlsruhe und Mitglied im Kongresskomitee der Learntec, betont, worauf es aus seiner Perspektive jetzt ankommt:
„Es muss in die Ausstattung und Weiterbildung der Lehrkräfte investiert werden. Neue Lehr- und Lernkonzepte, gemeinschaftliches Arbeiten, co-kreativ, eigenen Content zu produzieren, die digitalen Medien sinnvoll nutzen, sind erforderlich. Im Gegenzug müssen sich die Ausstatter Gedanken über Standardisierungen machen, was braucht eine Schule und trotzdem vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch die Individualitäten berücksichtigen.“
Über Standardisierung und die Kompetenzen der Lehrkräfte macht sich auch Tobias Koeppel Gedanken:
„Die Vereinheitlichung von Plattformen und Technikverwaltung ist nun essenziell, um schnell und effizient auf organisatorische Anforderungen reagieren zu können. Lehrkräfte sollten jetzt intensiv Fortbildungen nutzen, um die Nutzung der digitalen Instrumenten im Unterricht zur Erreichung der Lernzeile optimal gestalten zu können."
Alexander Schöpke stellt außerdem die Bedeutung von Kooperationen als wesentlichen Erfolgsfaktor heraus:
„Wir begreifen immer stärker und besser, wer die eigentlich relevanten Akteure sind, wie wichtig vor allem die Zusammenarbeit zwischen Schulträger, Schulleitung, pädagogischem Team und allen anderen Verwaltungsebenen über dem Schulleiter ist. Dass es am Ende auf diese Zusammenarbeit dieser einzelnen Verwaltungsbehörden und Verwaltungsebenen ankommt.“
Dr. Christian Büttner spricht den Föderalismus an:
„Digitalisierung sollte über Bundesländergrenzen hinweg gedacht werden. Es ist wichtig, einfach zu handeln und nicht zu zögern."
Dr. Anita Stangl, Geschäftsführerin der MedienLB betont wie die anderen Experten die Vorteile der Standardisierung und Kooperationen. Dabei unterstreicht sie die Bedeutung von Content:
„Der DigitalPakt 1 hat natürlich für eine Grundausstattung gesorgt und das war erstmal der richtige Schritt. Nun wird dringend mehr Content benötigt. Wir müssen darüber nachdenken, Kooperationen zu schließen, zuzuhören, was andere machen, gemeinsam miteinander reden und gemeinsam Lösungen schaffen. Die Beschaffung von digitalen Ressourcen sollte systematisch angegangen werden. Es wäre ineffizient, wenn jede Schule oder jeder Landkreis einzeln bestellt. Bestellungen sollten mindestens auf Landesebene koordiniert werden, um Kosten zu sparen und effizientere Lösungen zu erzielen. Landeslizenzen wären ein sinnvoller Ansatz, um gemeinsam bessere Angebote zu nutzen. Das Wissen der Medienzentren über den Einkauf von Content sollte genutzt werden.“
Alexander Schöpke:
„Es ist notwendig, die Digitalisierung ganzheitlicher zu denken und sie als integralen Bestandteil des Bildungssystems zu sehen. Der Fokus sollte auf den Kompetenzprofilen der Schüler liegen und darauf, welche technischen und inhaltlichen Unterstützungen dafür benötigt werden."
Finanzierung und Fördermittel für die Beschaffung
Dr. Peter Heinrich, bei Cisco für die Strategieentwicklung für den öffentlichen Sektor verantwortlich, wirft einen Blick auf die Frage der Finanzierung zukünftiger Investitionen:
„Zum einen sollte die Abrufmöglichkeit der Gelder beschleunigt werden, damit Anträge schneller gestellt und bewilligt werden können. Zum anderen ist eine konsequente Standardisierung und Vereinfachung der Use Cases für die Schulträger und Schulen und den damit verbundenen IT-Architektur-Anforderungen, ähnlich wie in der Deutschen Verwaltungscloud-Strategie (DVS) wünschenswert.“
Stefan Zabel unterstreicht die Bedeutung einer nachhaltigen Finanz- und Haushaltsplanung:
„Wir müssen schnell dorthin kommen, dass das IT-Budget für jeden Schulträger und für jede Schule ein selbstständiger, selbstverständlicher Kostenbudgetblock ist, der fest verankert ist und den man nicht in einzelne Digitalpakten immer wieder neu beantragen muss.“
Zusammenfassung
Die Statements unserer Experten zeigen, dass die Digitalisierung im deutschen Bildungssektor auf einem guten Weg ist, aber noch viele Herausforderungen zu bewältigen sind. Eine erfolgreiche Digitalisierung erfordert nicht nur eine solide technische Infrastruktur, sondern auch die fortlaufende Weiterbildung der Lehrkräfte, die Entwicklung und Nutzung hochwertigen Contents sowie die effektive Zusammenarbeit aller Akteure.
Es ist von entscheidender Bedeutung, die Digitalisierung nicht als Selbstzweck zu betrachten, sondern als Mittel, um den Bildungsprozess zu verbessern und Chancengleichheit zu fördern.
Stefan Zabel fasst passend zusammen:
„Der Digitalpakt hat die Infrastrukturausstattung in den Schulen erheblich vorangebracht, sodass ein Großteil der Schulen digitalisiert ist. Zwar ist der Umfang noch ausbaufähig, aber der erste große Schritt ist getan. Nun muss die Digitalisierung verstetigt werden, indem jede Schule und jeder Schulträger ein eigenes IT-Budget erhalten. Die Herausforderung besteht darin, mit der Geschwindigkeit der digitalen Entwicklungen, wie Cyber Security und Flexibilität, Schritt zu halten. Diese Transformation ist fortlaufend und nicht einmalig."
Die Zukunft des Bildungsmarktes in Deutschland hängt davon ab, wie gut es uns gelingt, die vorhandenen Ressourcen effizient zu nutzen und gleichzeitig flexibel auf die sich ständig wandelnden Anforderungen zu reagieren.
Mit einem verstärkten Fokus auf Kooperation, Standardisierung und nachhaltige Finanzierung können wir sicherstellen, dass die Digitalisierung im Bildungswesen nicht nur ein vorübergehender Trend, sondern ein dauerhaft erfolgreicher Transformationsprozess wird. Nur so können wir die Potenziale der digitalen Technologien voll ausschöpfen und den Bildungssektor dauerhaft fit für die Zukunft machen.
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